Fragen & Antworten

Industrie 4.0 zählt zu den neuen Schlagwörter in der Industrie. Dennoch kreisen eine Menge Fragen rund um diese Thema.
Visualisierte Vernetzung einer Fabrik
IT-basierte Vernetzung von Systemen

Wir haben häufig gestellte Fragen zusammengetragen. Bei Interesse senden Sie uns bitte weitere Fragen rund um das Thema Industrie 4.0 an info does-not-exist.imi kit edu zu. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.

 

Was steckt hinter dem Begriff Industrie 4.0?

Die angekündete vierte industrielle Revolution - „Industrie 4.0“ – entstand in Deutschland im Rahmen der Hightech-Strategieumsetzung der deutschen Regierung. Seit dem offiziellen Start auf der Hannover Messe 2012 hat diese Initiative für eine Flut an Events, Studien und auch Forschungsförderungen geführt. Anders als der heutige Stand der Industrialisierung mittels Maschinen, automatisierter Prozessabläufe und IT-Systeme wird das Herzstück der Industrie 4.0 in deren „selbstbestimmenden“ oder „intelligenten“ Einsatz durch Echtzeitvernetzung über das Internet gesehen. Grundvoraussetzung dafür ist erstens, das Vorhandensein von Produktionsnetzwerken, bestehend aus flexiblen Wertschöpfungsketten mit unternehmensübergreifenden, in Echtzeit verfügbaren Information. Zweitens, die Verschmelzung der virtuellen mit der realen Welt, mit der Integration von Produktdesign und Produktions-Engineering für reduzierte Markeinführungszeiten. Und drittens, der Aufbau von Anlagen bestehend aus modularen Produktionseinheiten mit vollständigem und konsistentem virtuellen Abbild, die untereinander vernetzt sind. Hier spielen die s.g. Cyber Physical Systems (CPS) eine entscheidende Rolle. In Unterschied zu den gegenwärtigen Computersystemen, die sich durch eine strikte Trennung von realer und virtueller Welt charakterisieren, erkennen die CPS-Systeme ihre physische Umgebung, verarbeiten den entsprechenden Informationen und können die physische Umwelt auch koordiniert beeinflussen.

Was ist eine Smart Factory?

Unter Smart Factory versteht man die flexible und echtzeitfähige Vernetzung von Maschinen, Dienstleistungen und Menschen zum Zweck, individuelle Waren „on-demand“ und kostengünstig zu produzieren. Durch das Internet getrieben, wächst die reale Produktionswelt mit der virtuellen Welt der Daten und Informationen zum Internet of Everything (IoE) zusammen. Dies ermöglicht es Kunden direkt in die Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse einzubinden – ein Paradigmenwechsel für die produzierenden Unternehmen. Kurz gefasst, die Smart Factory „komponiert“ die Musik, die die Weltwirtschaft im digitalen Zeitalter spielen wird.

Welche Rolle spielt der Mensch bei Industrie 4.0?

Seit dem Beginn der Industrialisierung Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Mensch systematisch zum „Maschinen-(Be)diener“ degradiert. Auch wenn seit 50 Jahren die rasante Entwicklung der Computertechnologie samt Künstliche Intelligenz für menschenfreundlichere Arbeitsbedingungen gesorgt hat, hat sich die Rolle des Menschen als „Resource“ für die Wirtschaft nicht geändert. Erst seit der großen Verbreitung des Internets in den 1990en Jahren steht nicht mehr die Computertechnologie selbst im Mittelpunkt sondern mehr ihre Sozialisierung – die totale Durchdringung in allen Lebens- und Arbeitsbereichen. Mehr soziales Wohlbefinden statt Wohlstandssteigerung und die verstärkte Rolle der sozialen Netzwerke sind zum wichtigsten Trend geworden. Menschen mit der Fähigkeit des vernetztes Denkens und Handels und mit dem Blick für das große Ganze – „Resourceful Humans“ sind gefragt. Der Übergang zu dem „Mensch im Mittelpunt der Betrachtung“ setzt ein zukunftsfähiges Arbeitskonzept für ein grundlegend verändertes Verständnis der menschlichen Möglichkeiten und Bedürfnisse im Umgang mit Technologie, natürlichen Ressourcen, der Umwelt und den Menschen selbst voraus. Aus diesem Grund sehen wir den Wandel von „Human Resource“ zum „Resourceful Human“. 

Was sind derzeit wichtige Trends und Technologien der Digitalisierung? 

Die digitale Vernetzung von Produktion, Logistik und Markt macht die Prozesse „intelligenter“ und damit wettbewerbsfähiger. In Unterschied zu den gegenwärtigen Computersystemen, die sich durch eine strikte Trennung von realer und virtueller Welt charakterisieren, erkennen die Cyber Physical Systems (CPS) ihre physische Umgebung, verarbeiten den entsprechenden Informationen und können die physische Umwelt auch koordiniert beeinflussen. Der Übergang von der heutigen IT-zentrierten Systemsicht zu einer flexiblen flächendeckenden Prozessvernetzung in unterschiedlichen Unternehmensbereichen setzt eine schrittweise Umsetzung voraus, bei der vor allem „Der Blick auf das Ganze“ eingehalten werden soll. Dahinter steht für ein Unternehmen klare Zielsetzung und Orientierung auf Praxisrelevanz, Potential, Umsetzbarkeit und Mehrwert. Daraus ergeben sich 3 wichtigste Kompetenzfelder der digitalen Transformation: erstens, die echtzeitfähige Datenerfassung, -aufbereitung und -auswertung aus verschiedenen, heterogenen und unstrukturierten Datenquellen (auch im Sinne von Big Data), zweitens, die intelligente Abbildung (Algorithmisierung) von Entscheidungs- und Handlungsabfolgen als Grundlage für neue Geschäftsmodelle und –prozesse und drittens, die allgegenwertige Bildung und Qualifizierung aller Beteiligten um die Digitalisierung in das Tagesgeschäft zu integrieren. 

Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich bei der Implementierung digitaler Technologien in produzierenden Unternehmen?

Eine belastbare Statistik zur Innovationsstärkung durch die Implementierung digitaler Lösungen ist zurzeit nicht vorhanden. Mögliche Verbesserungen werden u.a. in der Vereinfachung von Arbeitsabläufen sowie in neuen Geschäftsmodellen und modularen Wertschöpfungsketten gesehen. Insgesamt geht es dabei um Stärkung der digitalen Souveränität, d.h. um digitale Leistungsfähigkeit und Handlungsfähigkeit. Nach einer aktuellen Online-Frühjahrsbefragung von BDI (Bundesverband der deutschen Industrie) und PwC (PricewaterhouseCoopers) erwarten acht von zehn Unternehmen vom verstärkten Einsatz moderner digitaler Technologien einen schnelleren Austausch von Informationen und eine bessere Abstimmung von Arbeits- und Produktionsschritten. Kunden und Zulieferer sind dabei die wichtigsten Kooperationspartner – wobei die Vernetzung der kleinen Unternehmen (bis zu 100 Mitarbeiter) mit externen Partnern deutlich stärker ist als die der großen Unternehmen. Experten gehen von einem Effekt von bis zu 20 Prozent in Bezug auf die Produktivität und Profitabilität aus. Der praktische Übergang zur smart Factory setzt ein breites Spektrum an Know-how und Kompetenzen in Fertigung sowie in IT voraus, die kein der Unternehmen, insbesondere der mittelständigen Betriebe, heute oder in Zukunft in der Lage wäre, völlig intern aufzubauen. Die Neueinstellung von Experten wird kurzfristig helfen jedoch zu keiner Dauerlösung führen, denn die Technologiegenerationen wechseln immer schneller, das Expertenwissen im eigenen Unternehmen dagegen langsamer. Auch die Verlagerung der Leistungserbringung aus dem Unternehmen hinaus – das s.g. „Outsourcing“ -  wird aufgrund der oft unflexiblen Vertragsbedingungen und Abhängigkeit von Drittunternehmen, sowie des Verlustes an Know-how nicht mehr attraktiv.

Wie müssen Unternehmen zukünftig organisiert sein, um eine Innovationskultur zu schaffen, die den Mensch in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt?

Unternehmen benötigen in Zukunft die Gesamtbetrachtung der Unternehmensentwicklung von Anfang an. Nicht nur die technische Machbarkeit, insbesondere die wirtschaftliche und gesellschaftliche Randbedingungen müssen beachten werden. Dabei sind Ziele unternehmensspezifisch und zeitvariant zu setzen um sich an die Innovationszyklen anzupassen, die immer schneller aufeinanderfolgen. Jede 3-5 Jahre wechseln die Wissens- und Technologiegenerationen. Weiterhin ist eine durchquerende Umsetzung durch Entscheidungsträger „top-down“ und Mitarbeiter „bottom-up“. Veränderungen werden in den „Keimzellen“ eines Unternehmens gelebt und die Messgröße ist der Mehrwert. Die Schaffung einer Mensch-zentrierte Organisation bedeutet „Gehirn-gerechte“ Arbeitsabläufe in dynamischen Wertschöpfungsnetzwerken zu realisieren, gekennzeichnet durch schnelle Analyse- und Optimierungszyklen. Dabei wird die Digitalisierung nicht mehr „outgesourced“, die wird einfach Teil unseres Daseins sein, die ganze Zeit, im Tagesgeschäft sowie im Alltag.

Was ist der richtige Weg zur Industrie 4.0?

Die Antwort auf dieser Frage liegt sicherlich noch in der Zukunft, als zielführend ergibt sich heute, im vorwettbewerblichen Bereich, die enge, zweckgebundene Partnerschaft aus Unternehmen und externen Organisationen (z.B. aus Forschung und Beratung) mit komplementären Kompetenzen. Durch vernetztes Arbeiten mit den anderen Partnern und durch „sharing spaces“ für das praktische Erproben können Unternehmen sich mit einer smarten Produktionsumgebung vertraut machen, ihre Ideen und Produkte frühzeitig testen oder auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter qualifizieren lassen.

Welche Rolle nimmt die Software in der zerspanenden Fertigung durch Industrie 4.0 ein?

Werkzeugmaschine oder Computer, oder beides? In der zerspannenden Fertigung wird es in naher Zukunft genauso aussehen, wie in vielen Industrie 4.0-Branchen auch. Mittels eines Virtuellen Abbildes wird es möglich, operationale Konzepte der Wertschöpfung einer Werkzeugmaschine in Echtzeit zu validieren, z. B. manuelle und automatische Bedienung und Konfiguration der Werkzeugmaschine über intuitive Mensch-Maschinen-Schnittstellen (z.B. Web-Oberfläche, haptische Interaktionsgeräte). Eine umfassende Simulation der tatsächlichen Bewegung der Werkzeugmaschine wird ermöglichen, das virtuelle 3D-Werkzeugmaschinenmodell über die Software der Steuerung auszuführen. Weiterhin wir es möglich, eine abschließende Validierung vor der Bearbeitung durchzuführen, was den Zeitaufwand für die Probedurchläufe auf der realen Werkzeugmaschine enorm verkürzt. Eine Wertschöpfung wird nur dann erreicht, wenn ganzheitlich die Prozesse mit all den Daten berücksichtigt werden. Hierzu werden Daten aus der Maschine benötigt, wie Energiedaten, Störungsmeldungen, Werkzeugdaten, aber auch Daten aus der Logistik und technischen Informationen, wie Schnittdaten, etc. Durch das Verschmelzen von realen Maschinen und virtuellen Abbildungen ist eine Annäherung an die Vision der automatisierten, vernetzten Virtuellen Inbetriebnahme eines ganzen Betriebes möglich.

Welche Rolle spielt speziell die Software rund um Werkzeugmaschinen und Werkzeuge für Industrie 4.0? 

In der zerspannenden Fertigung ist das IT-Systemnetzwerk das Herzstück einer Industrie 4.0-Lösung. Orchestriert wird dieses Netzwerk durch das Tool LifeCycle Management als Interplayer an der Schnittstelle zwischen Planung und realer Fertigungswelt. Dadurch können sowohl die in der Planung als auch in der Fertigung anfallenden Daten erfasst und für eine Analyse zugänglich gemacht werden. Die Prozesse werden kontinuierlich, quasi „in the loop“, verbessert. Offene Programmierschnittstellen (APIs), mit denen Drittentwickler auf die Möglichkeiten von Webservices zugreifen können, sind eine treibende Kraft im Industrie 4.0-Umfeld. Die möglichen Gründe für die vergleichsweise geringe Begeisterung in der Fertigungsindustrie für offene Schnittstellen führen auf datenschutzrechtliche und urheberrechtliche Bedenken zurück, die zwar verständlich aber nicht mehr zeitgemäß sind.  Offene Schnittstellen sind eine langfristige Investition, bei der kurzfristig eigenes Know-how kostenfrei abgegeben, langfristig dadurch jedoch eine enorme Erhöhung von Reichweite, Bekanntheit und Marktpotential erreicht wird.